»Scherbenberge« ist die Geschichte einer Suche – nach zurückgelassener und neuer Heimat, nach
Sicherheit und Identität. Sie entstand – wie alle Produktionen der Gruppe – unter Einbeziehung vieler persönlicher Erlebnisse, Begegnungen und Erfahrungen.
Lydia und Feliks sind mit ihrem jugendlichen Sohn Ilyas aus Ihrer Heimat geflohen, ihr älterer Junge Jannis ist im Bürgerkriegsland vermisst. Während Feliks sich dankbar und unterwürfig anzupassen versucht, kann Lydia vieles nicht hinnehmen und möchte sich den zahlreichen Demütigungen wider-setzen. Als dann auch der jüngere Sohn – ihrer Meinung nach unschuldig – verurteilt wird, zweifelt sie massiv an der Geborgenheit, von der Feliks immer spricht und die ihr das neue Land bieten sollte.
Die Eröffnung des Museums für Sicherheit – ein Prestigeprojekt des neuen Heimatlandes – bekommt für Lydia besondere Bedeutung, aber auch für alle weiteren ProtagonistInnen der Geschichte. Sie blicken dem Eröffnungstag mit unterschiedlichen Spannungen und Gefühlen entgegen. Für den Museumstechniker Klaus, der durch den neuen Direktor auch wegen seiner ausländischen Frau zu-nehmend unter Druck gerät, ist der Eröffnungstag eine große Belastung, für eine junge Staatsanwältin ist es der Tag, an dem sie sich endgültig profilieren will und für die VertreterInnen der Politik ein willkommenes, internationales Medienspektakel.
Lydia sucht nach Wahrheit und Gerechtigkeit, sie will gesehen und gehört werden.
Die Eröffnung kommt ihr durchaus gelegen ...
Die SpielerInnen der 22. Produktion der Theatergruppe die Fremden haben ihre Wurzeln in der Slowakei, in Bulgarien, Polen, Belgien, Armenien, Nigeria, Afghanistan, im Iran und in Österreich.
Mitwirkende:
Armen Abisoghomyan, Rabia Alizada, Garegin Gamazyan, Osas Imafidon, Sofie Leplae, Niloofar Nadimi,Tomasz Nowak, Markus Payer, Maisam Rahimi, Katerina Rumenova-Jost, Vanda Sokolovic
Leitung und Regie:
Dagmar Ransmayr
Die Fremden – multikulturelle Theatergruppe – seit 1992
2017 Österreichischer Staatspreis für Erwachsenenbildung
2015 Preisträger des Förderpreises der Göppinger Theatertage (D)
2012 und 2009 Gewinner des Amateurtheaterpreises, Theatertage am See in Friedrichshafen (D)RahmenprogrammDie Gruppe
Die Theatergruppe “die Fremden” wurde 1992 von der Wiener Theaterpädagogin und Regisseurin Dagmar Ransmayr gegründet. Ziel war es zunächst, Menschen, die in Österreich ihre neue Heimat hatten, durch das Spiel eine erweiterte Form des Austausches und der Kommunikation zu geben. Themen, die die SpielerInnen der Gruppe bewegten, wurden einander vorgespielt, diskutiert und schließlich auf die Bühne gebracht. 1993 entstand das erste abendfüllende Stück mit dem Titel “Die Fremden”. Nach diesem hat sich das Ensemble im Anschluss benannt.
“Die Fremden” entwickelten sich zu einem Pool von theaterschaffenden LaienspielerInnen mit migrantischem Hintergrund, denen die freie Theaterszene in Wien selten offen steht oder in der sich Laienspielerinnen mit geringen Deutschkenntnissen nicht wohl fühlen. In der Gruppe orientieren sich die Darstellerinnen zunächst nicht an einem auswendig gelernten Text, sondern agieren aus der Spontanität des Fühlens und Handelns. Darstellung und Improvisation sind allen Spielerinnen vertraute Komponenten: Bewegung, Tanz und Pantomime als internationale Sprachen.
Alle Stücke und Figuren werden in Gruppen- und Improvisationsarbeit entwickelt. Die Individualität und Besonderheit des Einzelnen bleibt im Ensemble erhalten, braucht sich nicht dem Produkt unterzuordnen, sondern -im Gegenteil -bestimmt genau dieses. Der Weg von der ersten Idee (meist begründet in persönlichen Erfahrungen und aktuellen politischen Situationen) hin zum fertigen Stück, das (in der kulturellen Vielfalt) Sich-Einigen auf einen immer neuen, veränderten Plot, Verlauf und eine neue Technik, ist ein sehr (zeit)intensiver Weg. Behutsam, Szene für Szene, Figur für Figur schält sich ein Stück aus der Fülle. Der Entwicklung, der Improvisation, dem Gespräch wird sehr viel Zeit geschenkt. In der Regel dauert "das Bauen" eines Stückes und das Kreieren von Figuren ein Jahr.
“Die Fremden” verstehen sich als politische Laientheatergruppe (die in ihrer Probenarbeit nach den Methoden des Theaters der Unterdrückten arbeitet). Soziale Miss-Stände werden aufgegriffen und (in teilweise verfremdeter Form) auf der Bühne umgesetzt. “Die Fremden” wollen mit ihren Stücken ihrem Publikum die Welt als veränderbar “be-qreifbar” machen. Unterdrückung und UnterdrücktWerden sollen zum einen als zentrale Themen betrachtet aber auch hinterfragt werden.
78 Personen aus 42 Ländern haben bisher in der Gruppe mitgewirkt. Ein Puzzle verschiedener Theaterkulturen im Rahmen einer mitteleuropäischer Theatertradition und -landschaft. Eine Melange aus Sprachen, Akzenten, Erlebnissen, kulturellen Wurzeln und Tendenzen. Das implizite Thema Fremdheit ist wie in der Name als roter Faden geblieben.